Zu Beginn Retuscheur und Illustrator, hat Claus Riemann in der Folge vor allem als Maler und visueller Künstler einen bildnerisch und ästhetisch einzigartigen Eindruck hinterlassen.
Es war nicht bekannt, eher ein gut gehütetes Geheimnis, dass im Laufe der Jahre etwa hundert seiner Werke ihren Weg zu Sammlern fanden. Diese Eingeweihten hatten direkt in seinem Atelier Zugang, nicht unbedingt in der Welt der Galerien und Museen. Claus Riemann selbst bemühte sich nicht um Ausstellungen. Für ihn stand das künstlerische Schaffen im Mittelpunkt; alle Etappen, die normalerweise auf das Schaffen selber folgen, waren für ihn nicht wesentlich. So erlangte er zu Lebzeiten keinen öffentlichen Bekanntheitsgrad, da seine Präsenz im Umkreis des Kunstmarktes notwendig gewesen wäre.Claus Riemann starb im Juni 2012. Auf der Gedächtnisausstellung in der Galerie Art68, 2012 in Köln, wurde anhand von 48 Exponaten ein Querschnitt seines Schaffens vorgestellt, wobei seine Bilder auf uneingeschränkte Bewunderung und grösstes Interesse stiessen.
Jetzt wird die Bekanntmachung seines Werks fortgesetzt, wie Claus Riemann es zuletzt selber gewünscht hatte, zunächst mit dieser Webseite, weiterhin mit Ausstellungen und einem Werkkatalog.
Das vielseitige Oeuvre von Claus Riemann fasziniert durch seine Auserlesenheit und die Fülle seiner phantastischen Traumwelten, dargestellt auf vielfältigste Weise, ohne dass das Abstrakte dem Figürlichen widerspricht.
Claus Riemann ist zweifellos ein aussergewöhnlicher Maler. Sein Talent lässt an die grossen Meister denken, deren Werke und Techniken er sein Leben lang in den Museen studiert hat, angefangen bei den flämischen Malern und denen der italienischen Renaissance bis zu Max Ernst, Paul Klee, Magritte, Schwitters und den Pop Art Künstlern.
Claus Riemann hat Meisterschaft entwickelt in den verschiedenen bildnerischen Techniken wie Ölmalerei, Tempera und Aquarell, dazu eine harmonische Ästhetik, in der er sich öfter Zitate aus Werken grosser Künstler erlaubt. Herbert Rosner schreibt: „Er schöpft autark aus dem Fundus der Klassischen Moderne, nutzt Stilzitate, die aber derartig miteinander verwoben sind, dass etwas ganz und gar Neues daraus entsteht“. (1)
Die Kritiker, darunter der Künstler Herbert Rosner, die sich bisher über seine Kunst äusserten, stimmen darin überein, sein Werk mit so unterschiedlichen Kunstströmungen wie dem Surrealismus und der abstrakten Kunst in Beziehung zu setzen.
Aber Claus Riemann hat auch, was noch weniger bekannt ist, ein absolut bemerkenswertes fotorealistisches Werk verwirklicht. Er re-interpretiert nicht nur so wichtige malerische Gattungen wie das Stillleben und das Portrait, sondern beweist auch ausserordentliche Meisterschaft im Umgang mit Licht und der Kunst der Komposition. Vor diesem wichtigen Bereich seiner Arbeit verweilt der Betrachter gebannt, verzaubert von den minutiösen Darstellungen, dem Ergebnis seiner ungeheuren Disziplin und seines Strebens nach Perfektion. Hier kommt dem Maler seine strenge handwerkliche Ausbildung als Retuscheur sicherlich am meisten zugute.
Von der anstrengenden und erschöpfenden Malarbeit musste Claus Riemann sich gleichzeitig auch regelmäßig befreien, und das tat er, indem er mit Materialien, Formen und Farben spielte.
Aus solchen Befreiungsphasen resultieren die experimentellen Materialcollagen und Basrelief-Bilder in Mischtechnik. In diesen Werken, die wenig Platz lassen für den Pinsel, überschreitet er teilweise die schmale Linie zwischen Zwei-und Dreidimensionalität, Gemälde und Skulptur, Collage und Assemblage.
Die Materialcollagen sind Zeugnis für den Blick, den Claus Riemann auf die alltäglichen Dinge hatte. Ihrer ursprünglichen Bestimmung beraubt, entfalten die Objekte bei ihm einen poetischen Sinn. Diese Sammelstücke, ob aus Holz, Karton, Metall oder Tuch, aber auch Stickereien, Arbeitshandschuhe oder Pflanzen, alles organisiert und komponiert er, um eine Palette von Bildern zu schaffen, die mehr oder weniger abstrakt sind, mehr oder weniger phantastisch. Die Basrelief-Bilder sind ausserdem in verschiedenem Grad eine Kombination von Kratz – Spachtel – Spritz - oder Klebetechniken und Materialien wie Sand, Gips, Blattgold u.a.
Bei seinen Werken in Mischtechnik werden wir vor allem mit seinen parallelen Welten konfrontiert: Phantastischen Themen, Fabelwesen, Traumlandschaften oder mythologischen Anmutungen. Jürgen Kisters schreibt: „Solche Szenen sind unseren nächtlichen Träumen ähnlicher als der vernünftigen Alltagswahrnehmung“. (2)
Und schliesslich hat Claus Riemann mit der Aquarelltechnik die zartesten und farbenfrohesten Bilder seines Werkes geschaffen, leuchtend in ihrer Transparenz, präzise in der Feinheit ihrer Wiedergabe und musikalisch anmutend in ihrer Fröhlichkeit. Ausser der Serie „Frohsinn“ hat er die Serie „Bagatellen“ gemalt, von denen einige Beispiele hier vorgestellt werden. Es sind bildnerische Variationen der musikalischen Bagatelle, eines eher unbedeutenden musikalischen Genres, das dennoch von Komponisten wie Couperin, Beethoven, Bartok und Webern geschätzt wurde. Manche dieser Aquarelle sind gleichzeitig eine Hommage an Paul Klee, zu denen die beiden Aquarelle „Dessau“ gehören, in denen er sich in ähnlicher Weise bunter Würfel bedient, selber jedoch Bezug nimmt auf die Bauhaus-Architektur.
Claus Riemann hatte einen solchen Perfektionsanspruch an seine Malerei, dass er einzelne Bilder oft nach einiger Zeit, selbst nach Jahren, wieder vornahm; veränderte, teilweise übermalte, sogar zerschnitt und neu zusammensetzte. Zum Beispiel sein „Selbstportrait“, das er viele Male überarbeitete, aber zu seinem großen Bedauern nicht mehr vollenden konnte.
Dennoch hat er uns über hundert weitere vollendete Werke hinterlassen, darunter eines seiner letzten, das Portrait „Regina“, das die ganze Kraft seines Könnens offenbart. Auch in diesem Gemälde finden wir das Bild im Bild, und unsere Gewissheit gegenüber der uns vertrauten Welt und ihrer Verschlüsselung durch die Kunst wird auf die Probe gestellt.
Es bleibt ein bewunderndes, leicht verwirrtes Erstaunen.
(1) Herbert Rosner „Claus Riemann – Bilder und Collagen“, Kunstforum St.Clemens, 2007
(2) Jürgen Kisters „Die sinnlichen Geheimnisse der Dinge“, Kölner Stadt- Anzeiger Nr. 157, 10. Juli 2007